Was muss ich beim Thema Scheinselbständigkeit beachten?

Die Scheinselbständigkeit ist ein rechtliches Risiko, das viele Solo-Selbständige unterschätzen. Dabei kann sie gravierende Folgen haben – sowohl für Auftragnehmer als auch für Auftraggeber. Wer fälschlich als Selbständiger arbeitet, obwohl tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, riskiert Nachzahlungen, Bußgelder und sogar strafrechtliche Konsequenzen. In diesem Artikel erfährst du, was genau Scheinselbständigkeit ist, woran du sie erkennst und wie du dich effektiv davor schützt.

1. Was ist Scheinselbständigkeit?

Von Scheinselbständigkeit spricht man, wenn eine Person formal als selbständig tätig ist, in Wahrheit jedoch wie ein Arbeitnehmer in das Unternehmen eingegliedert ist. Es handelt sich also um eine verdeckte abhängige Beschäftigung, die gegenüber der Deutschen Rentenversicherung oder dem Finanzamt als freie Tätigkeit deklariert wurde.

Die Einordnung ist unabhängig von der gewählten Rechtsform, Rechnungsstellung oder Steuererklärung – entscheidend ist allein die tatsächliche Art der Zusammenarbeit.

2. Warum ist Scheinselbständigkeit problematisch?

Wird eine Tätigkeit im Nachhinein als scheinselbständig eingestuft, drohen erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen:

  • Nachzahlung von Sozialabgaben für bis zu vier Jahre (bei Vorsatz bis zu 30 Jahre rückwirkend!)
  • Bußgelder von bis zu 500.000 Euro
  • Strafrechtliche Ermittlungen wegen Schwarzarbeit
  • Nachträgliche Lohnzahlungspflichten für Auftraggeber
  • Rückwirkende Kündigungsschutzansprüche für die betroffene Person

Das Thema betrifft also nicht nur dich als Selbständige*n, sondern auch dein gesamtes Auftraggeber-Umfeld.

3. Wer prüft, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt?

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) prüft im Rahmen sogenannter Statusfeststellungsverfahren, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine echte Selbständigkeit vorliegt. Eine Prüfung kann ausgelöst werden durch:

  • Routineprüfungen der DRV
  • Meldungen von Mitbewerbern oder Ex-Angestellten
  • Eine Betriebsprüfung beim Auftraggeber
  • Deine eigene Initiative durch ein freiwilliges Clearingverfahren

4. Kriterien für Scheinselbständigkeit

Es gibt keinen einzelnen Punkt, der eindeutig Scheinselbständigkeit beweist – sondern ein Gesamtbild aus verschiedenen Faktoren. Die wichtigsten Merkmale sind:

  • Weisungsgebundenheit: Du arbeitest nach Vorgaben und unter Kontrolle deines Auftraggebers.
  • Keine unternehmerischen Entscheidungen: Du trittst nicht am Markt auf, hast keine weiteren Kunden, kein eigenes Risiko.
  • In die Organisation eingegliedert: Du nutzt die Infrastruktur des Auftraggebers (z. B. IT, Büroräume), hast feste Arbeitszeiten oder eine E-Mail-Adresse beim Kunden.
  • Nur ein Hauptauftraggeber: Du bist wirtschaftlich von einem Kunden abhängig.
  • Keine eigenen Betriebsmittel: Du bringst keine eigene Ausrüstung mit.

Wenn mehrere dieser Punkte zutreffen, ist das Risiko hoch. Im Zweifel zählt der Einzelfall.

5. Schutz vor Scheinselbständigkeit: Was du tun kannst

Um dich abzusichern, solltest du einige Maßnahmen treffen:

  • Mehrere Kunden gleichzeitig bedienen – ideal sind mindestens drei pro Jahr.
  • Eigene Website, Visitenkarten, Social Media – also einen klaren Außenauftritt als Unternehmer*in.
  • Arbeitsort und -zeit selbst bestimmen – keine Präsenzpflicht beim Kunden.
  • Eigene Betriebsmittel nutzen – z. B. Laptop, Software, Fahrzeuge.
  • Vertraglich klar regeln, dass du selbständig arbeitest – ohne Eingliederung in Prozesse oder Weisungsgebundenheit.
  • Im Zweifel: Clearingverfahren bei der DRV beantragen, um vorab Sicherheit zu bekommen.

6. Statusfeststellungsverfahren – so funktioniert es

Du oder dein Auftraggeber können freiwillig ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen. Das ist empfehlenswert, wenn Unsicherheiten bestehen oder eine langfristige Zusammenarbeit geplant ist.

Im Verfahren prüft die DRV anhand eures Vertrags und der realen Arbeitsweise, ob es sich um eine Selbständigkeit oder eine Beschäftigung handelt. Das Ergebnis ist verbindlich und schützt euch vor späteren Rückforderungen.

7. Scheinselbständigkeit in bestimmten Branchen

In einigen Bereichen ist die Gefahr besonders hoch – zum Beispiel bei:

  • IT- und Softwareentwicklung
  • Pflege und Betreuung
  • Logistik und Transport
  • Journalismus und Medien
  • Trainer*innen und Coaches

Wenn du in einem dieser Sektoren tätig bist, ist besondere Vorsicht geboten. Hier finden häufig Prüfungen statt.

8. Unterschiede zu echter Selbständigkeit

Echte Selbständige handeln auf eigenes Risiko, treffen selbst Entscheidungen und tragen die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg. Sie haben in der Regel:

  • Eigenes Marketing und Akquiseaktivitäten
  • Mehrere parallel laufende Kundenprojekte
  • Freie Wahl des Arbeitsorts und der Methoden
  • Vertraglich klar definierte Leistungen, nicht Arbeitszeiten

Wenn du diese Merkmale erfüllst, ist dein Risiko gering.

9. Was tun bei Unsicherheit?

Wenn du unsicher bist, ob deine Tätigkeit scheinselbständig ist, solltest du:

  • Eine*n Fachanwalt*in für Arbeitsrecht oder eine*n Steuerberater*in konsultieren
  • Vertrag und Arbeitsweise prüfen lassen
  • Bei der DRV eine unverbindliche Vorprüfung anstoßen

Je früher du Zweifel ausräumst, desto besser kannst du dich absichern.

Fazit

Scheinselbständigkeit ist ein ernstes Thema für Selbständige in Deutschland. Sie betrifft nicht nur rechtliche Feinheiten, sondern kann existenzielle finanzielle Folgen haben. Wichtig ist, dass du deine Selbständigkeit von Anfang an professionell aufstellst – mit mehreren Kunden, eigener Außenwirkung, vertraglicher Klarheit und echter unternehmerischer Freiheit. Wenn du strukturiert arbeitest und regelmäßig überprüfst, wie du deine Leistungen erbringst, kannst du das Risiko deutlich minimieren und langfristig rechtssicher agieren.

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