Wie ermittle ich meinen Stunden- oder Tagessatz?

Die Frage nach dem richtigen Stunden- oder Tagessatz ist für viele Selbständige eine der schwierigsten Entscheidungen – vor allem zu Beginn. Einerseits willst (und musst) du konkurrenzfähig bleiben, andererseits deine Kosten decken und profitabel wirtschaften. In diesem Artikel zeigen wir dir Schritt für Schritt, wie du deinen Stundensatz realistisch und nachhaltig kalkulierst, welche Faktoren du unbedingt berücksichtigen solltest – und wie du auf Preisverhandlungen souverän reagierst.

1. Warum ist eine fundierte Kalkulation so wichtig?

Dein Stunden- oder Tagessatz bestimmt maßgeblich, wie viel du am Ende des Monats verdienst – und ob dein Business wirtschaftlich tragfähig ist. Wer seine Preise zu niedrig ansetzt, riskiert langfristig Verluste, Frust und Burnout. Wer zu hoch ansetzt, schreckt potenzielle Kunden ab. Es geht also darum, ein Gleichgewicht zu finden: zwischen dem Wert deiner Leistung, deiner Zielgruppe und deiner finanziellen Zielsetzung.

2. Ausgangspunkt: dein Wunsch-Nettoeinkommen

Überlege dir zunächst, wie viel du pro Monat netto verdienen möchtest. Beispiel: Du möchtest 2.500 € netto zur Verfügung haben. Das entspricht rund 3.500–4.000 € brutto, je nach Steuerklasse und Versicherung.

3. Fixkosten und Betriebsausgaben ermitteln

Nun addierst du deine betrieblichen und privaten Fixkosten:

  • Miete, Strom, Heizung, Lebenshaltungskosten
  • Kranken- und Rentenversicherung
  • Steuerrücklagen (ca. 30–40 % vom Gewinn)
  • Berufliche Ausgaben: Software, Internet, Weiterbildung, Fahrtkosten, Büro

Angenommen, deine betrieblichen Ausgaben belaufen sich auf 800 €/Monat, private auf 2.500 €. Das bedeutet, du musst mindestens 3.300 € Gewinn erwirtschaften, um deinen Lebensstandard zu halten – exklusive Steuern!

4. Verfügbare Arbeitszeit berechnen

Als Selbständiger arbeitest du nicht 40 Stunden pro Woche nur für Kundenprojekte. Du musst auch Zeit für Buchhaltung, Akquise, Marketing, Mails und Verwaltung einplanen.

Rechne konservativ:

  • 260 Arbeitstage im Jahr abzüglich Urlaub, Krankheit, Feiertage → ca. 220 Tage
  • Davon max. 60 % effektiv fakturierbar → ca. 130 Tage im Jahr
  • 130 Tage x 6 Stunden pro Tag = 780 abrechenbare Stunden im Jahr

Diese 780 Stunden sind deine Basis zur Stundensatz-Kalkulation.

5. Stundensatz kalkulieren: Formel

Jetzt kommt die Rechnung. Du teilst deinen benötigten Jahresumsatz (Lebenshaltung + Betriebsausgaben + Rücklagen + Steuern) durch die verfügbaren abrechenbaren Stunden.

Beispiel:

  • Privatbedarf: 30.000 € netto pro Jahr
  • Betriebskosten: 10.000 € pro Jahr
  • Steuern/Rücklagen: 12.000 €
  • → Gesamtbedarf: 52.000 €
  • → 52.000 € ÷ 780 Stunden ≈ 66,70 €/h

Das ist dein unterer Mindest-Stundensatz, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

6. Marktpreise und Positionierung

Ein realistischer Stundensatz berücksichtigt nicht nur deinen Bedarf, sondern auch den Markt. Informiere dich:

  • Was verlangen andere in deinem Bereich?
  • Wie positionierst du dich – als Einsteiger oder als Spezialist?
  • Arbeitest du für Start-ups, Mittelstand oder Konzerne?

In kreativen Berufen wie Design oder Text schwanken Stundensätze zwischen 40–120 €, bei IT-Dienstleistungen zwischen 60–150 €, Coaches oder Berater können 100 € oder mehr verlangen.

7. Tagessatz berechnen

Viele Auftraggeber arbeiten lieber mit Tagessätzen, vor allem bei Projekten. Ein Tagessatz basiert meist auf 6–8 fakturierbaren Stunden.

Faustregel:

Stundensatz x 7 = Tagessatz

Beispiel: 70 €/h → 490 €/Tag

Viele Selbständige setzen hier bewusst einen Aufschlag, da Projektarbeit mehr Verantwortung, Risiko oder Reisezeit mit sich bringt.

8. Preiskommunikation und Verhandlung

Preisverhandlungen sind ein natürlicher Teil des Geschäfts. Sei vorbereitet:

  • Argumentiere mit dem Mehrwert, nicht nur mit der Arbeitszeit
  • Vermeide Sätze wie „Was sind Sie bereit zu zahlen?“
  • Formuliere deine Preise als selbstverständlich: „Mein Stundensatz liegt bei …“
  • Erlaube ggf. Paketpreise oder Rabatte für längere Zusammenarbeit – aber nur mit klarer Kalkulation

9. Fehler vermeiden

Viele Selbständige machen zu Beginn typische Fehler bei der Preisfindung:

  • Orientierung an Ex-Arbeitgeber-Gehalt (vergisst Sozialabgaben, Risiko etc.)
  • Stundensatz zu niedrig ansetzen aus Angst vor Ablehnung
  • Kosten wie Versicherung, Steuern, Weiterbildung nicht berücksichtigt
  • Kein Puffer für Ausfälle oder Leerlaufzeiten einkalkuliert

Ein zu niedriger Stundensatz führt nicht nur zu finanziellen Engpässen, sondern schadet auch deiner Positionierung als Profi.

10. Fazit: Realistisch kalkulieren = nachhaltig wirtschaften

Ein gut kalkulierter Stundensatz ist die Grundlage für deinen wirtschaftlichen Erfolg als Selbständiger. Er sorgt dafür, dass du nicht nur kostendeckend arbeitest, sondern auch Rücklagen bilden und investieren kannst – in dich, dein Geschäft und deine Zukunft.

Nimm dir die Zeit, deine Finanzen ehrlich zu analysieren. Nutze Excel, Online-Rechner oder Tools wie Planzahlen und Stundensatzrechner von Gründerportalen. Und denk daran: Du verkaufst nicht Zeit, sondern Lösungskompetenz. Das hat einen Wert – und der darf auch bezahlt werden.

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